Die Evangelische Schlosskirche zu Moyland vollendet ihr 325. Lebensjahr. Das soll am 31. August 2008 gefeiert werden. Der Förderverein möchte das Fest ausrichten und die Menschen, die die alte Dame schätzen und lieben, dazu einladen.
Anlässlich dieses Ereignisses haben wir die Evangelische Schlosskirche besucht und uns nach ihrem Befinden erkundigt.

„Das ist gar nicht so einfach zu beantworten“, seufzt sie und holt etwas aus, „Ich habe in den vergangenen Jahren viel Angst gehabt und mich oft allein gefühlt. Angst hatte ich, weil niemand mitzubekommen schien, wie sich die Dachbalken immer mehr auflösten – es ist so ähnlich wie Karies bei euch Menschen, nur dass ich mir im Gegensatz zu euch den Bohrer sehnlichst wünschte. So bin ich jetzt froh, dass dieses Bangen und Hoffen ein Ende hat.“

Und wieso allein gefühlt, wollen wir wissen.

„Ach ja“, sagt sie traurig und matt, „wie würdet ihr euch denn fühlen, wenn, von einigen Ausnahmen abgesehen, nur einmal in der Woche für eine ¾ Stunde jemand mit euch reden würde?“

Wir sind irritiert. Sollte sie in ihren 325 Lebensjahren den Durchblick verloren haben? Wäre ja kein Wunder bei dem kaputten Oberstübchen! Vorsichtig fragen wir nach, und sie erklärt uns:

„Einmal in der Woche ist Gottesdienst. Dann wird vorher die Heizung angestellt und es wird warm. Dann höre ich menschliche Stimmen, erst reden sie durcheinander, später redet meist nur einer. Manchmal sprechen sie auch etwas gemeinsam, gleichzeitig, rhythmisch. Die Orgel spielt und alle singen. Dann lebe ich auf. Ich brauche euch Menschen, eure Stimmen und eure Wärme! Wenn ihr da seid, entspanne ich mich etwas. Richtig gut geht es mir allerdings nur an Festen wie Konfirmation oder Weihnachten. Dann ist mein Innenraum so gefüllt, dass ich es bis in meine Mauern hinein spüren kann. Aber ich will mich nicht beklagen, nachher kommt gar keiner mehr!“

Wir schlucken und schweigen etwas betreten. So hatten wir das bisher nicht gesehen! Dann wechseln wir das Thema und kommen auf die geplante Geburtstagsfeier. Wir möchten wissen, was die Jubilarin sich wünscht. Ob sie zum Beispiel an diesem Tag mit bereits reparierten Dachbalken dastehen möchte.

Sie schmunzelt: „Nein, je länger die Bauphase, desto besser. Bauphasen genieße ich. Dann höre ich den Handwerkern zu und das Lärmen ihrer Werkzeuge und Maschinen macht mir Mut. Nein, Bauphasen finde ich toll. Ich erinnere mich noch genau an die allererste Phase vor 325 Jahren, wie ich Stück für Stück zusammengesetzt und langsam zu dem wurde, was ich heute bin!“

Sie schweigt und scheint ganz in Erinnerungen zu schwelgen. Doch dann kommt sie zurück in die Gegenwart: „Mein sehnlichster Geburtstagswunsch ist es, dass ganz viele Menschen kommen. Und das größte Geschenk wäre es, wenn sie etwas mitbrächten: alte Fotos von mir, eine Geschichte, ein Lied, ein Tanz! Bringt auf jeden Fall etwas vom heutigen Leben in meine Mauern, darum bitte ich euch sehr!“

Nun ja, denken wir still, doch schon etwas skurril geworden, die gute alte Dame! Doch sie hakt noch einmal nach: „Würdet ihr das bitte für mich organisieren?“